La Forza del Destino – Online Musik Magazin

La Forza del DestinoOnline Musik Magazin, 03.10.12
Des Menschen Schicksal ist der Mensch

Mit Verdis Oper La forza del destino (Die Macht des Schicksals) ist dem jungen Andreas Hotz, mit Beginn der Spielzeit 2012/2013 neuer Generalmusikdirektor des Theater Osnabrück, ein grandioser Opernauftakt gelungen.

Für die große Popularität der Verdi-Opern nicht nur bei seinen Zeitgenossen sind laut Schreiber verschiedene Dinge verantwortlich: die Spannung zwischen privater Tragödie und öffentlicher Gesellschaftskrise, eine gewisse „Monumentalisierung“ durch Klangfarbe, Harmonie bzw. Melodie sowie eine ausbalancierte Musikdramaturgie. La forza del destino, Verdis 1862 in St. Petersburg uraufgeführte Oper, wurde erst in der Mailänder Fassung von 1869 ein Erfolg. Neu entstand die Ouvertüre. Umgearbeitet wurde auch der Schluss: Ursprünglich nimmt Alvaro sich am Schluss das Leben, während er in der 2. Fassung als Einziger die Tragödie überlebt.

Regisseur Robert Lehmeier nutzt die aufgrund einer langen Regietradition entstandenen Interpretationen für packende Bilder und entgeht dem Zerfall in verschiedene Einzelszenen, indem er die Opernhandlung ganz auf einen kritischen, kammertheatralen Subtext reduziert. Für ihn beginnt  die „eigentliche“ Oper nach dem 1.Akt. Jenseits von historischer Einordnung, Krieg und Opernschauplätzen wird uns eine von materieller Armut, Ausbeutung und Business geprägte, zwischenmenschlich zerrüttete Gesellschaft vor Augen geführt, in der Werte wie Heimat, Freiheit oder Menschlichkeit zu ideologischen Heilsversprechen auf Plakatwänden verkommen sind.

Alvaro und Leonora werden nicht zuletzt aufgrund einer inzestuös engen Vater-Tochter-Beziehung bis in den Tod ein „verhindertes Liebespaar“ bleiben. Den Klosterbrüdern, auch Padre Guardiano wird der Heiligenschein genommen. Sie sind Geschäftsmänner, die sich des allzu trügerischen Jacketts entledigt haben, Leonore zur Unterwerfung zwingen und ihre rituelle Aufnahme als homoerotische Ersatzhandlung missbrauchen. Und die Massen animierende Preziosilla, die im zweiten Akt mit vielen Gleichgesinnten als Businessfrau mit Aktenköfferchen erscheint, muss sich im dritten Akt auch der Gewalt der nach „Liebe“ dürstenden Vaterlandskämpfer beugen. Leonoras Rückzug in die Einsiedelei wird als Selbstkasteiung interpretiert. Als sie am Ende schwer verwundet göttliche Gnade erfleht und Alvaro auf die Liebe im Jenseits vertröstet, wird die Sterbende von Pater Guardiano weggezogen und gezwungen, büßend die Hände zu falten und zu heben. Passend zu den abschließenden, verklärenden, wunderbar zarten, hohen Streicherklängen schiebt Pater Guardiano ein weißes Brautkleid auf die Bühne. Alvaro findet auch nach seiner Kriegsverletzung als gebrochener, im Rollstuhl sitzender Mann keine Ruhe. Einziger Kritikpunkt: Die Abgrenzung gegenüber den musikalisch kontrastierenden, grotesken Szenen hätte etwas deutlicher ausfallen können.

Die von Tom Musch konzipierte Plakatwand ist mit religiösen oder politischen Symbolen, Statements bzw. Aufrufen von Jesus über Ayatollah Khomeini bis zur RAF gepflastert. Hinzu kommt eine Stahltreppe, über die Leonore die Einsiedelei betritt bzw. in den Himmel entschwindet.

FAZIT
Eine Dramatik und Gefühlsseligkeit auskostende, musikalische Inszenierung konterkariert von packenden Regiebildern.

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