Kunst in den Fängen von Kapital und Politik
Neue Presse, 12.6.2006
Es war die letzte Musiktheaterpremiere der laufenden Spielzeit des Coburger Landestheaters: Richard Strauss´ Oper „Ariadne auf Naxos“ kehrte nach genau 25 Jahren auf die Coburger Bühne zurück und wurde mit Recht vom Publikum mit Begeisterung aufgenommen.
Abgelegt waren die Ressentiments gegenüber dem Regisseur Robert Lehmeier, der einstmals mit seiner ersten Coburger Inszenierung (Bocaccio) für helle Aufregung gesorgt hatte.
Robert Lehmeiers Inszenierung erwies sich als klar durchdachtes, übersichtlich angeordnetes und dennoch vielschichtiges Spiel, das er zeitlich in den unseligen 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts ansiedelte. Der Verweis auf den Nationalsozialismus macht Sinn, denkt man an den verlangten absoluten Gehorsam auf einen unsinnigen Befehl und die finanzielle Abhängigkeit der Künstler von einem großen und reichen Unbekannten. Diese zeitliche Dimension zeigte sich natürlich auch, unter anderem bei den drei Nymphen mit Stahlhelmen und Volksempfängern sowie ihrer Kraft-durch-Freude-Gymnastik. Aber auch der rhetorische Kontrast des Haushofmeisters zwischen schleimigem Devotismus und menschenverachtender Befehlsgewalt war ein Kennzeichen dieses Zeitabschnitts. Vielleicht hat das Wissen um die zweijährige Präsidentschaft der Reichsmusikkammer von Richard Strauss die Entscheidung für diese zeitliche Perspektive mit beeinflusst.
Lehmeier entschied sich am Ende für das Unterordnen Ariadnes im bürgerlichen Patriarchat, das ihren Gott Bacchus zum kleinen Hausgott, zum uneingeschränkten Herrscher der Vierzimmerwohnung macht, während Zerbinetta und ihre Truppe unverändert bei der Tingelei bleibt. Nur im Vorspiel berührt Lehmeier den Konflikt zwischen Opera seria und Commedia dell`Arte, als Teilaspekt eines widersinnigen Befehls.
Tom Musch genügen zwei Bühnenbilder: eine Künstlergarderobe mit mehreren Schminktischen für das Vorspiel und in der Oper ein Prospekt der einsamen Insel mit Adler. Dazu wenige Requisiten und eher konventionelle Kostüme, sieht man von Zerbinettas sexy outfit ab. Diese Zerbinetta von Christine Graham hatte es in sich. In ihre paarten sich Künstlerstolz und Leichtsinn, Lebenslust und Kleinbildphilosophie, Vollweib und naives Kind gleichermaßen. Und sie sang ihre Koloraturarie bravourös in allen Belangen. Die mitlaufende Übertitelung erwies sich hier als sinnvoll, während bei allen anderen Gesängen angesichts der Sprachdeutlichkeit aller Solisten diese technische Hilfe nur selten benötigt wurde. Stefanie Smits feierte mit ihrer letzten Partie der Primadonna/Ariadne am Landestheater noch einmal einen berechtigten Triumph. Thorsten Scharnke sang sich als Tenor/Bacchus überzeugend ins Heldische, gab den Höhen genügend Farbe und ließ nur noch gelegentlich in der Mittellage nasale Töne hören. Gekonnt verwandelte er sich vom Gott zum Familienpatriarch. (…) Eine großartige Leistung vollbrachte das Philharmonische Orchester unter der Leitung des GMD Alois Seidlmeier. Dem musikalischen Leiter gelang eine flüssige und durchgängige Linie, die auch bei den orchestralen Verbreiterungen nicht an Transparenz verlor und die Verbindung zur Bühne blieb vom ersten bis zum letzten Takt nahtlos gewahrt. Das war Richard Strauss auf höchstem Niveau.