Platée – Neues Deutschland

Fairy QueenNeues Deutschland 01.12.2012
Ein Bild für die Götter
»Platée. Ein Begehren« in der Neuköllner Oper

Vorneweg – die Inszenierung »Platée. Ein Begehren« in der Neuköllner Oper macht Spaß. Leichtigkeit zeichnet sie aus. Geprägt von der Mühe, Oberflächlichkeit zu persiflieren und dennoch die Tragik zu erhalten, die echter Komödie innewohnt. Das gelang Robert Lehrmeier, der die aktuelle Fassung der ursprünglichen, für die musikalische Entwicklung ihrer Zeit wichtige Ballet-Comédie von Jean-Philippe Rameau zusammen mit Jakob Vinje (Text und musikalisches Arrangement) neu fasste. Die Inszenierung ist rund.

Die Götter langweilen sich. Die alte Geschichte. Höchste Zeit für Schabernack. Man könnte ein bisschen mit den Gefühlen anderer spielen. Junos ständige Eifersucht auf Jupiters Ausschweifungen drängt sich dafür auf. Die Göttin der Winde bebt, verursacht mit ihrem Zorn unerträgliches Klima.

In der Neuköllner Inszenierung lümmeln die Götter von Tristesse überschwemmt an der Poolbar herum und verdrehen die Augen mit Blick aufs irdische Volk beim Einlass des Publikums. Die Theke mutiert mal wieder zum Ort der Weisheit. Frauen ziehen über Männer her. Die Herren lassen sich beim Urteil über Frauen auch nicht lumpen. Man gibt sich schnellem Sex hin oder fummelt an sich selber herum. Zum Schluss – kurz vor der neuen Langeweile – paart sich noch Gleich und Gleich. Der Bar-These, echte Liebe sei doch wohl ein Witz, widerspricht nur L’Amour. Logisch. Wer macht sich gern überflüssig. Eine ausgeklügelte Intrige wirkt da wie ein Rettungsring, an den sich alle eine Zeitlang klammern könnten. Kurzum, man hat es auf Platée abgesehen. Ihr soll sich Jupiter nähern, um Junos Eifersucht anzustacheln und sie letztlich davon heilen. Denn er liebt nur sie. Oder?

Ach, Platée. Hässlich soll diese Sumpfnymphe sein und wirkt durch ihre Einfalt doch schön und verwundbar. Gesungen wurde diese Partie schon bei der Uraufführung der komischen barocken Ballett-Oper 1742 in Versailles von einem Countertenor. An der Neuköllner Bühne gibt Altus Armin Stein wunderbar die Nymphe als Transe. Stolziert im grausig bunten Morgenmantel über dem pinkfarbenen Badeanzug am Tümpel herum, pflegt sich und lässt beim Fönen die Haare fliegen. Ein Bild für die Götter. Eitelkeit ist eine sehr angenehme und treue Gefährtin. Trügerisch? Ach was.

Auf der Leinwand im Hintergrund zeichnen sich Szenen aus alten Liebesfilmen ab mit im Stummfilm üblichen schriftlichen Kommentaren wie »In Erwartung« oder »Das kommt davon«. Auch Vögel mal, eine Sumpfdotterblume. Platées Traumwelt. Das wird einem manchmal zu viel. Aber sie kann nicht genug davon haben.

Choreograph Gregory Le Blanc verarbeitete einfache Schrittfolgen tanzender Paare aus den Filmen, die vor allem Thorbjörn Björnsson (Momus/Cithéron) und August Schram (Thespis/Merkur) im Spitzenrock herrlich ungelenk tanzen. Die beiden schenken sich nichts in ihrer Komik. Gelassen gibt Clemens Gnad Jupiter und Satyr, nahe daran über sich selbst zu lachen, wenn er am Ende noch gewaltig künstlich aufgepolstert uniformiert erscheint. Markus Meyer, dessen Bühnenbild den Sängern ermöglicht, kurz mal »unterzutauchen«, zauberte Maskerade.

Wie immer an der Neuköllner Oper ist die gesangliche Qualität Spitze. Die jungen Sänger können national und international auf Erfolge verweisen. Lydia Zervanos (Juno), die hier auch zornig zum Cello greift, war wie Gnad schon in anderen Neuköllner Inszenierungen zu erleben. Mélanie Gardyn (L’Amour/La Folie) lässt der Regisseur sich auch einmal durch ein von Juno erzeugtes Unwetter quälen. Schöner Einfall.

Das klangvolle Orchester, dirigiert von Hans-Peter Kirchberg, ist hinter der »Kino«-Leinwand gut platziert, während die Intrige vordergründig ihren Lauf nimmt. »Platée« ist ein musikalisch wärmendes Erlebnis. Fröhlich engagiert gespielt mit viel Kitsch auf der Schippe.

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