Friendly Fire – ND

Friendly FireFriendly Fire
Neues Deutschland, 13.9.2004

Die Bühne (Tom Musch) ist Raum gewordene Ironie. Vielschichtigkeit wird vorgetäuscht, Harmonie und Ordnung auch. Unten auf dem Boden ein amerikanisches Idyll: akkurater Kunstrasen, weiße Plastik-Gartenmöbel, weißer Kies als Hausumrandung und um den Minibuchsbaum herum. Eine Treppe höher auf der eigentlichen Bühne ein Show-Orchester im Hellblau des rechts unten angedeuteten Hauses, dahinter noch eine dritte Bühne, eine Art Bar-Tresen mit Beleuchtung; die Dekoration hat etwas von Stars and Stripes. Was in den folgenden pausenlosen zweieinhalb Stunden dort passieren wird, ist das Gegenteil von privater Harmonie und gesellschaftlicher Ordnung. Der Sohn und Held wird aus dem Krieg zurück erwartet. Die Kleinstadtmiezen haben sich aufgetakelt, die Mutter hat Kuchen gebacken, Vater den Grill vorgeheizt. Nur Schwester Sue versteckt schnell noch die letzte Kippe unterm Buchsbaumkies. Von da an bröckelt das Idyll wie im klassischen Enthüllungsdrama, Schicht um Schicht, in 15 kurzen Szenen. Am Ende ist es dann noch perfekter denn je. Der sympathische Soldat, kein amerikanisches Heldengroßmaul, sondern ein guter Sohn, zärtlicher Bruder, braver Liebhaber seiner Freundin Shelley kommt schweigsam heim. Er verschließt sich bei Tage, da ihn erst einmal keiner hören will, er schreit im Schlaf, produziert grausige Erinnerungen, öffnet sein Herz dann doch und erzählt von dem Kick, den es ihm gegeben hat, einem Kind die Kehle durchzuschneiden. Den Girls, der Freundin, Mutter, Schwester, den Zuschauern, allen wird es nach und nach zuviel. Einen traumatisierten Mörder will keiner, keiner weiß mit ihm umzugehen. Am Ende „erlöst“ der vietnamkriegserfahrene Vater den Sohn von seinen Leiden. Das Libretto überlässt das Wie dem Regisseur. Bei Robert Lehmeier wird er einfach abgestochen. Das anschließende Heldenbegräbnis mit Heldengedächtnisbombe rückt die Welt aus Feinkies, Sahnetorte und Grillsteaks wieder gerade. Die Kleinstadt-Tarnung ist wieder  perfekt (….) „Friendly Fire“: Ein Antikriegsstück reinsten Wassers.

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