Cosi fan tutte – Wiener Kurier

Cosi fan tuttePartnertausch und Psychotherapie
„Cosi fan tutte“, nur mit Männern, von der Neuköllner Oper Berlin bei den Festwochen
Wiener Kurier, 5.6.2004

Eine Party in einem schicken Design-Loft. Die rein männliche Tischgesellschaft trinkt, plaudert, räsoniert über Royals und Methoden der Fettabsaugung. Doch dann lädt Alfonso zum Rollenspiel, zum Partnertausch, letztlich zur Psychotherapie. Ein Karussell der Triebe, der Begehrlichkeiten kommt dabei in Gang. Die Masken fallen; die Seelen bluten.

Es ist ein aufregendes, verstörendes und wahrhaftiges Spiel mit und um Mozart, das die Neuköllner Oper Berlin in ihre Interpretation der „Cosi fan tutte“ treibt. Mozarts Oper in einer Fassung für zwei Klaviere, vier Pianisten und sechs Männer – Winfried Radeke (musikalische Bearbeitung) und Peter Lund (Gesangstexte) haben ganze Arbeit geleistet.

Mozart-Puristen haben es in der Halle G des Museumsquartier schwer: Da gibt es kein Plüsch und kein liebliches Getändel. Zwar verkleiden sich Ferrando und Guglielmo auch hier (als weißer Hase und als rosaroter Panther); sonst aber setzt Regisseur Robert Lehmeier in seiner stringenten, klugen Inszenierung auf feine Symbolik, auf harte Psychoanalyse.

Jeder ist in sich selbst verliebt. Oder in das Bild, das er von einem anderen Menschen – Bühnenbildner Markus Meyer gönnt jedem Protagonisten in überdimensioniertes Porträt – hat. Die Paare finden sich, haben Sex. Nur Alfonso (präzise: Matthias Ehm) und Despina (stark: Christian Senger) sind Zyniker. Sie haben ihre Erfahrungen (vielleicht miteinander) schon gemacht. Ganz anders aber Guglielmo (Gero Bublitz) und Dorabella (Assaf Kacholi). Ein flotter Quickie unter dem Tisch, das war es dann auch schon. Ferrando (Jan Remmers) und Fiordiligi (Michael Bielefeldt) erhalten sich ohne Sex wenigstens ihre Illusionen.

Jeder kennt, jeder erkennt jeden und letztlich sich selbst in dieser famosen, sehr heutigen „Cosi“-Adaption, die nie in tuntige Outrage abgleitet. Denn die von Jens-Karsten Stoll (auch musikalische Leitung) und Robert Lehmeier (ein brillanter Texter) erstellte Fassung ist so nahe bei Mozart, reduziert die Handlung, seziert die Emotionen.

 

Gesungen wird auch (und sehr gut); der Weg vom Sopran zum hohen Tenor, vom Mezzo zum Bariton ist kurz. Wie auch die Zeit bis zum Mozartjahr 2006, in dem Mozart ja ach in Wien allgegenwärtig sein soll. Diese Festwochen-„Cosi“ zeigt, wie es dann auch gehen könnte.

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