Vanda – Opernwelt

VandaVanda Opernwelt

Mit seinen Opern hatte Antonin Dvorak, mit Ausnahme von „Rusalka“, außerhalb Böhmens wenig Glück. Der 1875 komponierten „Vanda“ war selbst in seiner Heimat kein Erfolg beschieden: Der Fünfakter im Stil der französischen Grand opéra fiel bei der Prager Premiere durch und ist heute gründlich vergessen. Zu Unrecht, wie jetzt die Osnabrücker Aufführung bewies. Gewiss hat die eklektische Musik mit ihren vielen plakativen Chortableaus und nationalen Aufmärschen Schwächen, überrascht andererseits aber immer wieder mit originellen Nummern wie den folkloristisch unterfütterten Tänzen oder dem berührenden Duett des unglücklichen Liebespaares Vanda/Slavoj mit seiner schwermütigen Melodik. Daniel Inbal engagierte sich mit großem Einsatz, ja Herzblut für diese Musik, und das Osnabrücker Symphonieorchester sowie der glänzend einstudierte Chor folgten ihm mit Begeisterung und Spielfreude.

Die härtere Nuss zu knacken hatte der Regisseur Robert Lehmeier bei seinem Versuch, die verquere Handlung mit ihrem Ineinander von individueller Tragödie und mythischem Geschichtspanorama zu klären. Mit distanzschaffender Abstraktion und unterstützt durch die Bühne Tom Muschs – ein düsterer, leerer Guckkasten, in der Mitte ein Steinaltar, der auch als Spielpodium dient – gelang es ihm, aus dem nationalpolitischen Mythos um Vanda eine beklemmende politische Parabel zwischen Märchen, holzschnitthafter Ironie und Psychodrama herauszufiltern. Vanda (Lina Liu mit ausdrucksstarkem Sopran) soll nach dem Tod ihres Vaters Königin werden, fühlt sich dieser Rolle aber nicht gewachsen und wird schließlich im Zwiespalt zwischen der Liebe zu ihrem Volk und der zu dem Ritter Slavoj (mit heldentenoralem Schwung, aber oft zu lauter Tongebung: Per Hakan Precht) zerrissen. Lehmeier zeigt Vanda von Anfang an als Opfer, als fast puppenhaft erstarrte Märtyrerin in der manipulativen Hand des wie ein Batman maskierten Hohepriesters (mit Stentorbass: Oleg Korotkov). Slavoj siegt zwar im Kampf um ihre Hand gegen den deutschen Herzog Roderich (mit elegantem Bariton Daniel Moon), kann aber nicht verhindern, dass dieser mithilfe der heidnischen Zauberin Homena (Almerija Delic) Polen mit Krieg überzieht. In der Bedrängnis der Schlacht schwört Vanda ihr Leben zu opfern, wenn die Götter ihr den Sieg gewähren – einen Eid, den sie, vom Hohepriester gedrängt, mit einem Sprung in die Weichsel einlöst. Lehmeier konterkariert das Ganze allerdings mit einer finalen Katastrophe, bei der der „wiederauferstandene“ Slavoj (er lässt ihn am Schluss des vierten Akts Selbstmord begehen) den Hohepriester tötet und dann durch eine offene Tür entschwindet – eine Lösung, die auf irritierende Weise das verklärende Ende in Frage stellt.

Lehmeier verdichtet die Hauptdarsteller zu durchweg kritisch, ja oft geradezu ironisch beleuchteten Figuren. Slavoj ist ein abgerissener Outsider; Roderich ein angeberischer Schönling, seine Boten erinnern in ihren Breeches-Hosen an NS-Wehrmachtsoffiziere. Bozena (im Julia Timoschenko-Outfit) begleitet ihre Schwester Vanda in einer Art traumatisierter Hassliebe bis zum Schluss, wenn sie sich – von Susanne Vent grandios gespielt und überzeugend gesungen – vergeblich selbst die Krone aufzusetzen versucht. Homena schließlich erscheint als die nächtliche Disco-Queen einer unheimlich illuminierten schwarzen Messe. Ganz entscheidend zum Gelingen trug die aufgelockerte Führung des Chors bei – die Frauen in Cocktail-Kleidern, die Männer ordensdekorierte, lemurenhafte Greise – , den Lehmeier immer wieder mit streng stilisiertem, oftmals karikaturistisch überdrehtem Spiel in die Handlung einbezieht, den leeren Pomp und die politische Manipulierbarkeit der Massen zeigend. Ein gelungener, überzeugender Abend, auf den Osnabrück stolz sein kann und der jedem größeren Haus zur Ehre gereichen würde.

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