Faust – Opernglas

FaustFaust
Das Opernglas 6/2008

Die noch immer gestellte Frage, ob Charles Gounods Komposition neben Goethes Dichtung zu bestehen vermag, konnte das Publikum des Coburger Theaters im direkten Vergleich beantworten, denn das Schauspiel kam dort drei Wochen vor der Oper heraus.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Werken ist in der starken katholischen Prägung der Oper zu finden, die auch bestimmend in die Coburger Inszenierung einfließt. Die Kirche ist als Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens Hauptschauplatz (Ausstatter Markus Meyer). Außerdem gibt es noch zwei vorübergehend eingebundene Bereiche: Marguerites Küche und das Wohnzimmer von Marthe Schwerdtlein. Wandgroße Fototapeten, ergänzt durch knappe Möblierung, sorgen hier für die erforderlichen räumlichen Ausmaße. Alle Ebenen werden intensiv bespielt, und es gelingt deren fließende Verbindung, und Regisseur Robert Lehmeier versteht es, neben der hervorragenden Führung der Hauptpersonen auch die kleineren Partien und die Choristen einzubinden.

Der zögernde Faust findet im Messdiener jemanden, der ihn aufrüttelt aus seinem Jammertal. Doch kaum ausgeplaudert, wird des Gelehrten Traum von Jugend zur leichten Angriffsfläche. Ein neuer blauer Anzug gibt ihm fortan zwar ein forscherer Aussehen, sein Verhalten vermag er aber nicht zu verändern: Méphistophélès hat in der Folge seine liebe Mühe mit Faust, denn ohne Druck passiert gar nichts. Alle anderen machen es dem umtriebigen Teufel einfacher, bei ihnen fruchten Manipulationen schneller, denn die gleichgeschaltete Gemeinschaft ist wegen ihres strikten Schwarzweißdenkens, das sich auch in der Kleidung widerspiegelt, gut lenkbar.

Die Ablehnung gegenüber Marguerite, die wegen ihrer Schwangerschaft endgültig aus dem engen gesellschaftlichen Raster fällt, ist eisig, die Gebete der Menschen, die Nächstenliebe, Toleranz und Hilfsbereitschaft weit hinter sich gelassen haben, sind bloß leere Rituale. Ihr Interesse gilt Kriegsberichten im Fernsehen, an denen sie sich lautstark ereifern. Die Produktion mündet in einem dick aufgetragenen Finale, von dem sie perfekt abgerundet wird: Zum Gesang der himmlischen Heerscharen erscheint der vom Kreuz herabgestiegene Jesus, gratuliert Méphistophélès zur guten Arbeit und nimmt Marguerite zu sich.

Jean-Noel Briend gelang es, dem von Zweifeln und Unsicherheit bedrückten Faust durch nuanierten, abgedunkelten Gesang bestechendes Format zu geben; mit absolut sicheren Spitzentönen konnte der französische Tenor wahre Glanzpunkte setzen. Dass Marguerite auf Grund ihrer Armut am Rande der Gesellschaft steht und nur geduldet ist, kam in Jennifer Birds einfühlsamem, von zögernder Gestik bestimmtem Auftreten nachhaltig zum Ausdruck. Die stimmliche Leistung geriet demgegenüber noch unausgeglichen, da neben berührend Gesungenem und sicher umgesetzten dramatischen Steigerungen auch Anstrengung hörbar wurde.

Alban Lenzen meisterte als Méphistophèles die darstellerischen Anforderungen souverän – der charmante Verführer lag ihm ebenso gut wie der hinterhältige Durchsetzer böser Machenschaften. Auch war er vorzüglich mit schwarzem Fundament und großer Strahlkraft in den hohen Lagen, in denen Marek Reichert als Valentin Grenzen erkennen ließ. Mitleidig belächelt der auf einen Rollstuhl angewiesene Siebel, dessen Nöte Petra Gruber bewegend aufzuzeigen vermochte, und Kerstin Mertl bestach als szenisch beträchtlich aufgewertete Marthe Schwerdtlein.

Alois Seidlmeier am Pult schließlich setzte auf ein kompaktes Klangbild, das gut musikalische Feinheiten mit den Intentionen der Regie verband.

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