Lulu – Opernglas

LuluLulu
Das Opernglas, 7.8/2004

Nach der Bayerischen Staastsoper in München, die vor kurzem eine Aufsehen erregende Neuproduktion von Alban Bergs „Lulu“ präsentiert hatte, wagte sich mit dem Landestheater Coburg eine weitere  Bühne des Freistaates an das anspruchsvolle Werk, was besonders erfreulich ist, bedeutet doch die „Lulu“ mit ihren hohen Anforderungen, die sie sowohl dem Orchester als auch dem Gesangsensemble abverlangt, für ein kleineres Haus einen großen Kraftakt.

In Coburg brachte man die dreiaktige Fassung ohne das erste Bild des dritten Akts, das in einem Pariser Salon spielt, zur Aufführung. Obwohl die Szene ganz in der Gegenwart angelegt ist, wird durch den Bühnenraum von Markus Meyer überzeugend die Zeitlosigkeit des Themas vermittelt. Schwarze Vorhänge, die den groß gehaltenen Schauplatz umrahmen, werden im Hintergrund von einer schmalen und nüchternen Kammer durchbrochen. Aus dieser tritt Lulu durch eine Spiegeltür mit ihrem ständigen Begleiter Schigolch in das Geschehen ein. Auf einem langen, drehbaren Steg, der durchweg als zentrales Ausstattungselement dient, legt sie ihre schlichte Aufmachung ab und zieht ein gelbes Kleid mit dazu passendem Schleier an, das ihr der Maler reicht. In der Folge lässt sich Lulu von ihm, in Anlehnung an Madonna, die das seit zwanzig Jahren auf perfekte Weise zelebriert, zu einer Ikone der Popkultur aufbauen. Da sie dabei, genau wie ihr Vorbild, immer selbst die Richtung vorgibt und sich einer Festlegung zu entziehen versteht, hat sie das Geschehen auch fest im Griff. Den ersten großen Erfolg bringt ihr eine vom Maler angefertigte Lulu-Puppe, die in Serie geht.

In Robert Lehmeiers Inszenierung treibt Lulu das Geschehen mit kühler Zielstrebigkeit voran, um dann, als ihre perfekte Fassade zunehmend Risse zu zeigen beginnt, das Ende der Geschichte auf dem Laufsteg wirkungsvoll vorzuführen: Nachdem sie die eigene Ermordung als den dramatischen Höhepunkt ihrer Laufbahn wirkungsvoll zur Schau gestellt hat, erhebt sich die Figur, um gemeinsam mit Schigolch wieder durch die Spiegeltüre der Kammer von der Bühne zu verschwinden. Für ein neues Spiel sind nun wieder alle bereit, denn auch Lulus Opfer stehen nach ihrer Vernichtung auf und verlassen das Geschehen.

Jennifer Bird war eine Lulu von großer darstellerischer Präsenz, die auch stimmlich mit eindringlich eingesetzten dramatischen Steigerungen zu begeistern vermochte. James McLean als Alwa beeindruckte mit kräftiger, dunkel timbrierter und in den oberen Lagen aufblühender Stimme. Schattierungsreich gestaltete William Wilson die Partie des berechnenden und letztlich doch scheiternden Dr. Schön. Die Ängste und die Verletzbarkeit des Malers vermittelte Peter Sonn mit schönem und bewegendem Gesang. Für die Gräfin Geschwitz, die in ihrer Aufmachung deutlich an die Haushälterin in Hitchcocks „Rebecca“ erinnert, fehlte es Cynthia Kossoff noch an stimmlicher Größe. Diese ließ auch Georg Heckel als fast immer im Hintergrund präsenter Schigolch vermissen. Stephan Klemm gab dem Tierbändiger und dem Athleten neben der nötigen Stimmstärke auch das passende polternde Gehabe.

Unter der Leitung von Hans Stähli zeigte das Coburger Orchester eine Glanzleistung. Diese „Lulu“ fesselte mit einer sprühenden Lebendigkeit. Nach der begeisterten Aufnahme durch das Premierenpublikum im leider nicht ausverkauften Coburger Theater bleibt zu hoffen, dass die Folgevorstellungen einen stärkeren Publikumszuspruch finden werden.

Powered by WordPress · Theme: Mayer by Pressware.