Die Fledermaus – Main-Echo

Die FledermausMitten ins Peperoni-Herz
Main-Echo, 21.1.2009

Na also, es geht doch! Eine Operette nicht als antiquierte Kostüm- und Kulissenschlacht zu inszenieren, sondern modern und recht frech: Wie das funktioniert, zeigt Robert Lehmeier am Staatstheater Mainz. Für sein Hausdebüt verwandelt er Johann Strauß` Operettenklassiker „Die Fledermaus“ in eine (irr)witzige Fastnachtsposse in eigener Fassung, was dem berühmtesten aller Strauß-Werke recht gut steht. In seiner Opulenz und Farbigkeit ist das Stück ja auch wunderbar karnevalsgeeignet.

„Was sie alles aus der armen „Fledermaus“ machen“, jammert eine reifere Dame im Parkett, und „oh je, es geht schon wieder los. Du lieber Himmel!“. Damit zielt sie auf den Astronauten, der zum totenstillen Auftakt hereinwankt und den österreichischen Bundesadler in den Bühnenboden rammt. Dann erst hebt Catherine Rückwardt den Taktstock zur furiosen, bewundernswert sorgfältig eingespielten Ouvertüre.

Willkommen auf dem Planeten „Fledermaus“ also, der aus der Versenkung emporfährt! Eine wahrhaft närrische Welt zeigen die drei Akte, in denen es um diebische Freude an Intrigen und Rache, an Verwechslung und Versteckspiel bei selbstsüchtiger Spaßmaximierung geht. Da erkennt Gabriel von Eisenstein in der angebeteten Fremden die eigene Frau nicht, da will sich Stubenmädchen Adele – feurig ist Tatjana Charalgina – einfach nur amüsieren und da gehen alle Dr. Falke auf den Leim, der süße Rache für einen Verrat übt. Wie modern! Ein Engel ist niemand, Teufel sind sie alle: Das weidet Robert Lehmeier genüsslich aus und belegt doch nur die Falschheit.

Mit schillernden Ideen, die sich zum schlüssigen Ganzen fügen: Urkomisch sind sie nicht alle, aber Humor war ja schon immer Geschmackssache. Dr. Falke setzt Lehmeier zum Ränkeschmieden in einen Glaskasten, in dem die „Ballettratten“, die die Partygesellschaft im zweiten Akt unterhalten sollen, keck über seinen Schoß hüpfen. In einen Zimmerkasten bugsiert er Ehepaar Eisenstein, dessen schräge Einrichtung Geschmacksverirrung vermuten lässt. Der Partysaal der Spaßgesellschaft ist nur aufgemalt und schnell demontiert. So wild die Gäste auf Geheiß des fett gelangweilten Prinz Orlofsky – kaum zu erkennen ist Sympathieträgerin Particia Roach – feiern, so rasch ist das Spiel vorbei. Der Höhepunkt verpufft als Zwischenspiel: Eisensteins als Ungarin verkleidete Frau – Susanne Geb spielt Rosalinde fabelhaft – galoppiert auf einem Karussellpferd – Bühnenbildner Harald Thor treibt die Posse auf die Spitze – inmitten eines Peperoni-besetzten Herzes.

Warum die Welt so verlogen und wie das zu bewerten ist: Das zu zeigen und zu erklären legt Robert Lehmeier besonderen Wert. Die Rolle des Gerichtsdieners Frosch als moralische Instanz hat er deshalb stark aufgewertet.

Von Beginn an ist er auf der Bühne, als grummelnder Techniker: Der Mainzer Kabarettist Lars Reichow kommentiert die Verrücktheiten, hält der Verlogenheit den Spiegel vor, setzt den Damen und Herren, die in ihren eigenen Fallstricken stolpern, die Narrenkappe auf: einen eckigen Schwellkopp, das Wahrzeichen des Mainzer Faschings. Hoch über der Bühne hängt sein Technikerhäuschen mit Ausguck auf das verrückte Treiben, gerne von oben herab kommentiert er die Liebeleien mit allerlei ironischen Brechungen so, wie sie sind: falsch und irrsinnig. „Die Welt will betrogen werden!“, stellt er gegen Ende hin lapidar fest, und schüttelt den Kopf: „Um was geht’s hier eigentlich?“ Schade nur, dass Reichows zeitgemäßes Geplapper („Fakten, Fakten, Fakten“) manchmal plakativ und plump klingt.Verzeihlich: Endlich mal eine Operette, die sich nicht in seichter Romantisierung ergeht.

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